Schauplätze

Montag, 30. Dezember 2002

Sprachpanscherei

Wiedergutmachung, Entschädigung

1,1 Millionen Ex-NS-Zwangsarbeiter haben bislang eine Anzahlung auf die 7.670 Euro erhalten, die sie als Entschädigung für die Haft in einem Konzentrationslager zugesprochen bekommen haben.
Solche Meldungen sind Berichte über Wiedergutmachung, glaubt der Leser zu wissen. Wenn etwas wiedergutgemacht werden soll, dann war es vorher schlecht. Im Falle der KZ-Häftlinge wird das wohl kaum jemand bestreiten wollen. Aber kann eine Zuwendung in Höhe von wenigen tausend Euro tatsächlich Qualen und Leiden lindern? Wie viel Geld ist notwendig, um das zu erreichen? Lassen sich Folter, Niedertracht und die Hinrichtung von Angehörigen überhaupt finanziell vergelten? Weißgewaschen werden können auch nicht die schwarzen Seelen der damaligen Verbrecher. Warum auch?

Wiedergutmachung muss eine Form der Buße sein. Buße für das, was unsere Vorfahren verbrochen haben, für das, was nutznießende Unternehmen an »Menschenmaterial« verschwendet haben. Aber nein, Bußgelder kann ich die Zahlungen nicht nennen. Die bezeichnen schon etwas wesentlich weniger Bedeutsames.

Noch unzutreffender als Wiedergutmachung ist aber der Begriff der Entschädigung, der meint, dass jemandem ein Schaden genommen wird. Aber kann man jemanden entschädigen wie man beispielsweise jemanden entschuldigen kann? Wenn ich mir ein Bein breche, dann kann ein Chirurg die Verletzung heilen. Seelische Schäden von Kriegsopfern können möglicherweise von Psychologen und Psychiatern behandelt werden. Aber in jedem Falle ist die intensive Beschäftigung mit dem Verletzten vonnöten, damit die »Reparatur« gelingt. Einem Kranken Geld zu geben, damit er von alleine wieder gesund wird, das funktioniert nicht.

Was bleibt? Eine Reparationszahlung vielleicht? Nein, der Begriff dreht sich um den Wiederaufbau malträtierten Eigentums. Oder Abfindungszahlung? Gar nicht schlecht. Schließlich sollen alle Ansprüche der Geschädigten mit einem Schlag abgegolten werden. Die Opfer werden ausbezahlt und damit möge es sich haben. Synonym könnte man von einer Aussöhnungszahlung sprechen. Aber auch dieser Begriff wäre zu einseitig, beschreibt er doch nur, dass sich die Schuldigen selbst entschuldigen wollen. – Wollen das auch die Opfer?

Hin und wieder hört man auch von sogenannten Ausgleichszahlungen. Aber wie oben beschrieben: Qual und Leid lassen sich nicht in Gold aufwiegen. Ausgleichen kann man da nichts, die Bilanz geht nicht auf.

Also was? Die Zahlungen in einen Zwangsarbeiterfonds sind meiner bescheidenen Meinung nach nichts anderes als eine Strafe für die Vergehen der Vergangenheit. Aber wer will schon wahrhaben, dass er bestraft wird…? Der Schuldige streichelt lieber sein Ego und tut so, als ob er ein Gutmensch wäre, der gutmacht.


 
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Resident of Antville  seit 8135 Tagen
zuletzt aktualisiert:
22. Juni 2003, 17:43

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