Schauplätze

Donnerstag, 7. November 2002

Demokratie am Arbeitsplatz

Wenn ich schreibe, dass die Temperatur im Büro zurzeit 14°C beträgt, ist das auf den ersten Blick sicher nichts aufregendes. Ergänze ich, dass die »gefühlte« Temperatur weit darunter liegt, werde ich vom geneigten Leser vielleicht ein wenig Mitleid erheischen können. Die Sache mit dem Mitleid hört aber sofort auf, wenn ich erwähne, dass ich bei niedrigen Temperaturen trotz eiskalter Hände ganz wunderbar arbeiten kann, besser, als wenn ich in stickiger Heizungsluft sitze und mir der Kopf schwirrt, weil ich mit dem Liter Früchtetee kaum den aus der Trockenheit entstehenden Wasserverlust ausgleichen kann. Meinem Kollegen geht es ebenso. Die Kollegin friert leider häufig und ungerne.

Exkurs: Wir leben in einem demokratischen Land, also sollte man am Arbeitsplatz auch demokratische Entscheidungen treffen. Sprich: Die Mehrheit entscheidet, was getan wird. Das ist der Vorteil an einer Mehrheitsentscheidung: Nicht der Durchschnitt aus Meinungen bestimmt das Ergebnis, sondern die Mehrheit an Meinungen. Denn der Durchschnitt ist im wahrsten Sinne des Wortes immer nur das Mittelmaß. Und wer will schon mittelmäßige Lösungen?

Nun, wir sitzen hier zu Dritt im Büro. Stimmen wir also ab und ersparen uns damit die leidige Einigung auf etwas, das allen nur zum Teil gefällt, aber keinem richtig. Möchte jemand Prognosen über den Wahlausgang abgeben? Wird die Kälte- oder die Hitzefraktion den Raum regieren? Oder wird ein Streit über demokratische Prinzipien entbrennen, der uns auf einen Konsens zurückwirft — Thermostat auf Stufe 2-3 statt Fenster offen?

Oder doch lieber eine Übereinkunft? Vielleicht zu allen geraden Stunden Fenster auf und zu allen ungeraden Stunden Fenster zu und Heizung auf volle Pulle. Andererseits: Wenn zwei die Kälte lieben und einer die Wärme, dann müssten auch die Kälte- und Hitzephasen im Verhältnis 2:1 stehen.

Oder ganz anders: Als Gentleman nehme ich mehr Flüssigkeit zu mir, ignoriere die Kopfschmerzen, rede meinem Kollegen gut zu und gönne der Kollegin die Wärme.


 
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Resident of Antville  seit 7993 Tagen
zuletzt aktualisiert:
22. Juni 2003, 17:43

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